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Fotos: privat

Elli, 24 Jahre

Aus dem Leben einer ganz normalen jungen Frau mit einem halben Herzen.

Ich heiße Elli, bin 24 Jahre alt und studiere derzeit in Frankfurt Grundschullehramt.

Ich lebe zusammen mit meinem Freund C. Ich bin von Geburt an chronisch herzkrank.Mit meinem Blog möchte ich den Blick noch ein wenig mehr auf die „Herzchen“ richten. Vielleicht schaffe ich es damit sogar, dass werdende Mütter, die eine oder andere Angst weniger plagt. Oder unsichere „Herzchen“ sehen, dass wir alles schaffen können, auch wenn es manchmal den Eindruck macht wir wären „benachteiligt“ oder „behindert”.

Zerspringt jetzt gleich mein Herz?

Übelkeit, die in mir hochsteigt. Langsam von den Füßen, die Beine hoch in den Bauch. Jetzt ist mir schon ganz schlecht, ich weiß nicht mehr wo oben und unten ist. Doch dieses Gefühl kriecht immer weiter, den Hals hoch. Es hat noch nicht genug, es schnürt mir den Hals zu, mein Herz fängt an immer schneller zu schlagen, ich habe das Gefühl es wird jeden Moment zerspringen und mir wird ganz heiß. Immer weiter, immer mehr bahnt es sich den Weg durch meinen Körper, durch meinen Kopf und meine Gedanken, bis ich das Gefühl habe meine Haarspitzen brennen, mein Gesicht kribbelt, wo fange ich an, wo höre ich auf? Bin ich wach, oder schlafe ich? Ich glaube ich falle, immer tiefer, alles wird schwarz, alles ist still und doch wütet ein tosender Sturm hinter meiner Stirn.
Was soll ich nur machen? Kann ich etwas machen? Wo ist meine Mama? Lebe ich noch? Was passiert dann? Löse ich mich auf? Bleibe ich in diesem Zustand, wird dieser tosende Sturm sich jemals beruhigen? Ich weiß es nicht. Ich muss hier raus, ich muss hier weg, ich muss zu meiner Mama. Ich brauche sie, ich muss ihre Stimme hören, nur in ihren Armen kann ich mich wieder beruhigen.

Früher bin ich oft nachts aufgewacht, weil ich Angst vor dem Tod hatte

Dann wird alles wieder gut, ich weiß es, das war bis jetzt immer so. Oder ist es diesmal anders? Meine Mama hat mir erzählt, dass ich früher oft nachts aufgewacht bin, weil ich Angst vor dem Tod hatte, schlecht geträumt hatte und dann mit solchen Gedanken aufgewacht bin. An früher kann ich mich nicht erinnern, aber ich weiß, dass ich dieses Gefühl bis zur sechsten/siebten Klasse noch ziemlich oft hatte. Teilweise bin ich dann wirklich abends oder nachts zu Mama und Papa gegangen, weil ich einfach solche Angst hatte, aber irgendwann habe ich mich das nicht mehr getraut, keine Ahnung, das klingt total blöd, aber ich hatte das Gefühl, dass das doof ist immer zu Mama und Papa zu rennen.

Erlebnisse im Krankenhaus haben mich früh mit dem Tod konfrontiert

Ich weiß nicht, woher diese Ängste kommen, was sie genau ausgelöst hat, aber auch heute, wenn ich über Nacht alleine bin und es mir nicht so gut geht, passiert es, dass mich dieses Gefühl übermannt. Ich bin eigentlich nicht unglücklich oder ängstlich, vor allem lebe ich nicht mit dem Gedanken oder der Befürchtung jeden Moment sterben zu können. Jedoch glaube ich, dass mich die verschiedensten Erlebnisse im Krankenhaus, auch nach den Operationen, schon von klein auf mit diesem Thema und dieser Angst konfrontiert haben. Und ich liebe das Leben, vor allem liebe ich MEIN Leben und ich genieße jeden Tag, vielleicht war es genau diese Liebe zum Leben, die diese Angst hervorgerufen, entstehen lassen hat.

Umgang mit den Ängsten lernen

Als chronisch Kranke macht man sich schon ab und zu mal Gedanken darüber, vielleicht auch mehr als andere junge Frauen in meinem Alter, aber es ist wichtig, dass man zum Einen über diese Ängste spricht und zum Anderen versucht, sich von diesen nicht beherrschen zu lassen. Tun, was einem in diesen Momenten gut tut, sich von den Liebsten in den Arm nehmen lassen, durch das Lesen in eine andere Welt verschwinden, oder die beste Freundin anrufen und dann weiter schöne Momente erleben! Klar ist, dass der Tod unweigerlich zu unserem Leben dazugehört, vielen macht er Angst, die Ungewissheit und dieses Endgültige. Vielleicht sind sich chronisch Kranke dessen schon eher bewusst als andere, aber wir alle müssen uns mit diesen Ängsten früher oder später konfrontieren und lernen damit umzugehen.

Eines weiß ich jedoch ganz sicher:

Ich liebe dieses Leben und genieße jeden Tag davon und versuche mir all die kleinen schönen Momente einzuprägen, denn diese Momente zählen und helfen, wenn die Angst kommt und droht dich zu übermannen.

Fontan-Kind

Zum Glück wurde bereits während der Schwangerschaft meiner Mama festgestellt, dass ich mit einem Herzfehler geboren werden würde. Meine Diagnosen lauteten / lauten wie folgt (Achtung, hier kommt erst einmal eine Menge Fachbegriffe):
– Double inlet left ventricle (DILV)
– Ventrikelseptumdefekt (VSD)
– Transpositionsstellung der großen Arterien (TGA)
– hochgradige valvuläre Pulmonalstenose
– Aortenklappeninsuffizienz I-II°

Außerdem bin ich ein so genanntes Fontan-Kind. Das alles bedeutet, dass meine rechte Herzkammer verkümmert ist und die beiden Vorhöfe „falsch“ ans Herz angeschlossen waren. Die Aorta (Hauptschlagader) und die Pulmonalarterie (Lungenschlagader) sind vertauscht. Bei dieser so genannten „Transpositionsstellung“ wächst die Lungenschlagader kurz nach der Geburt zu. Außerdem hatte ich ein Loch zwischen der linken und der rechten Herzkammer in der Herzscheidewand. Zusätzlich sind meine Herzklappen leicht undicht.

Mein Herzfehler ist palliiert, nicht korrigiert

Weil mein Körper aufgrund der Schließung der Lungenschlagader auf Dauer nicht ausreichend mit Sauerstoff versorgt werden konnte, wurde kurz nach meiner Geburt eine „Blalock-Taussig-Anastomose“ durchgeführt. Hierbei wurde versucht, den Defekt so zu beheben, sodass die Sauerstoffsättigung des Blutes erhöht wird. Zwei Jahre später folgte dann meine „Fontan – OP“. Hier wird „blaues Blut“ (also mit geringerem Sauerstoffgehalt) so durch die Lungen geleitet, dass es nicht vom Herzen angetrieben werden muss und nur das „rote Blut“ (also das sauerstoffreiche Blut) von „beiden“ Herzkammern durch den Körper gepumpt wird. Dadurch habe ich, anders als andere Menschen, nur einen passiven Blutkreislauf. Der Herzfehler kann operativ nicht behoben werden, jedoch konnte er durch die Operationen soweit palliiert werden, dass das Herz ausreichend gut arbeitet. Ich hatte in den darauffolgenden Jahren noch den ein oder anderen Herzkatheter, bei dem zum Beispiel undichte Stellen verschlossen wurden. Zurzeit gehe ich halbjährig zur Kontrolle und werde dort von den Ärzten beobachtet und betreut. Dank der Operationen geht es mir aber so weit erstaunlich gut. Ich habe ein ganz normales Leben, wie jede andere 24-Jährige auch und man sieht mir meinen Herzfehler eigentlich gar nicht an. Ich bin selbst noch keine Spezialistin, was meinen Herzfehler angeht, da ich mich eigentlich erst seit ein paar Jahren damit wirklich auseinandersetze. Daher hoffe ich, dass mir die Beschreibungen und Erklärungen gelungen sind und ich auch alles richtig wiedergegeben habe. (Anmerkung der Redaktion: die häufigsten Herzfehler -vor und nach der Herz-OP- u.v.m. erklären wir als Animationen auf www.bvhk.de)

Fall vom Mäuerchen

„You’re braver than you believe and stronger than you seem and smarter than you think.“ – Winnie the Pooh

Bei meinem Herzfehler kann eine scheinbar kleine Sache aufgrund meiner Medikamente und Vorgeschichte ganz schnell mehr werden. Solche Geschichten gehören zu meinem Leben dazu! Ich möchte damit zeigen, dass man manchmal einfach auf seinen Körper hören und auf diesen achten sollte. Wir dürfen nicht vergessen, dass Gesundheit etwas Tolles ist. Dafür müssen manche wenig tun und manche müssen hart darum kämpfen. Jedoch sollte es bei uns allen gleich sein, Gesundheit ist nichts Selbstverständliches, man kann sie nicht kaufen und wir müssen gut darauf aufpassen. Auch ich vergesse das allzu gerne…

Nach dem Sturz doch in die Notaufnahme

Ein kleiner Spaziergang zwischen der Lernerei für die Uni wurde ein längerer Krankenhausaufenthalt, zwei Monate Krücken, keine Hosen und viel Bettruhe. Mein Freund C. und ich wollten einfach ein bisschen den Kopf frei bekommen, die Beine vertreten und am Wasser entlang laufen. Da ist natürlich wieder das innere Kleinkind mit mir durchgegangen! Ich habe ein kleines Mäuerchen gesehen und auch C. hat mich direkt darauf hingewiesen – er kennt mich wirklich zu gut!! Dann musste ich natürlich direkt hoch, darauf herum balancieren, Faxen machen. Und was dann kam, können sich nun vielleicht schon ein paar von euch denken…ich bin ausgerutscht….und mit meinem rechten Oberschenkel außen gegen die Kante des Mäuerchens gefallen. Dank meiner besonders ausgeprägten tollpatschigen Fähigkeiten geschah dies natürlich mit voller Wucht und ich habe es noch nicht einmal geschafft, mich irgendwo abzubremsen und auch C. konnte mich nicht auffangen. Mal angesehen davon, dass ich nun auch keine zarte fünf Jahre mehr alt bin, ging das Ganze einfach so schnell, dass man nicht mehr reagieren konnte. Ja, dann hing ich da. Es hat wehgetan und zwar nicht zu wenig, aber zuerst habe ich mir nichts dabei gedacht. Ich hatte eine lange Hose an und es war nicht direkt unglaublich geschwollen, kein Blut, also dachte ich mir „Alles gut, das wird schon wieder“. C. war da nicht ganz so optimistisch und hat darauf bestanden, dass er wenigstens das Auto holen fährt, um mich damit dann den Berg rauf und nach Hause zu fahren. Dank der dezenten Schmerzen konnte ich dazu nun wirklich nicht nein sagen! Zuhause angekommen, habe ich das Bein erst einmal hochgelegt und brav gekühlt, mir aber in dem Moment nicht viel dabei gedacht, weil es auch zuerst wirklich nicht so schlimm ausgesehen hat. Als wir dann gemütlich auf dem Sofa gesessen, zu Abend gegessen und Fern geschaut haben, wurden die Schmerzen immer schlimmer und C. hat angefangen sich Sorgen zu machen und letztendlich sind wir dann ins Krankenhaus in die Notaufnahme gefahren (Es war natürlich Wochenende…was sonst!).

Innere Verletzungen bluteten wegen meines Medikaments ein

Dort angekommen, ist das Bein immer weiter angeschwollen und der blaue Fleck wurde immer größer. Ich wurde geröntgt und es kamen immer mehr Krankenschwestern in meinen Raum und haben sich mein Bein erstaunt angeschaut. Von der Oberschwester wurde der blaue Fleck zuerst liebevoll „Passionsfrucht“, dann“ Mango“ und am Ende „Melone“ genannt. Und da war es noch nicht einmal zu seiner vollen Größe angeschwollen! Das Problem war, dass ich mir beim Sturz eine innere Verletzung zugezogen habe und diese durch das Medikament ASS100, was ich aufgrund meines Herzfehlers nehme (ein sehr leichter Blutverdünner, auf Aspirinbasis), extrem eingeblutet hat. Dadurch, dass mein Bein immer mehr angeschwollen ist, bestand die Gefahr eines „Kompartmentsyndroms“. Das bedeutet, dass der Muskel von dem inneren Bluterguss eingequetscht wird und im schlimmsten Fall absterben kann. Klasse, das waren doch mal tolle Nachrichten. Normalerweise wird dann die Stelle am Bein aufgeschnitten, damit der Muskel wieder genug Platz hat. Normalerweise geht aber nicht bei mir! Aufgrund meines Herzfehlers haben sich die Ärzte dort nicht getraut, mich einfach aufzuschneiden und wollten das Ganze lieber unter Beobachtung auf Station lassen und nur im allergrößten Notfall aufschneiden. (Im Endeffekt bin ich wirklich froh, dass ich um eine Operation herum gekommen bin). Gesagt, getan und ich lag auf Station. Es wurde ein Kreis um meinen Bluterguss gemalt und der Umfang meines Beines in regelmäßigen Abständen gemessen (natürlich auch nachts), um zu schauen ob und wie sehr das Bein noch anschwillt. Im Endeffekt hatte mein rechter Oberschenkel einen Umfang von weit über 60 cm, was bei meiner Statur und Größe wirklich…sagen wir mal massiv…war!

Glück: keine weiteren extremen Einblutungen

Ich hatte wirklich Glück, denn mein Bein ist nicht mehr weiter angeschwollen und hat nicht mehr so extrem eingeblutet, dass ich operiert werden musste. Also konnte ich nach langem hin und her, einmal nach Hause und dann nochmal für ein paar Tage zurück ins Krankenhaus und dann endlich von C. abgeholt werden. Ich konnte nur lange Kleider tragen. Welch ein Glück, dass die im Moment so modern sind!! Selbst in die Jogginghosen von C. habe ich nicht mal ansatzweise gepasst! Und nach gefühlten Stunden, die ich gebraucht habe, um unsere damals im zweiten Stock gelegene Wohnung zu erreichen, lag ich dann endlich zu Hause auf dem Sofa. Am Anfang war es wirklich super schwer, sich mit den Krücken zu bewegen, vor allem da jede Bewegung höllisch wehgetan hat, aber wir haben trotzdem versucht, den Sommer so gut es ging zu genießen! Zum Beispiel sind wir in ein Naturschwimmbad in unserer Nähe gefahren, wo ich den kleinen Treppenwasserfall als natürliches Kühlakku zweckentfremdet habe und die Sonne richtig genießen konnte. Nachdem wir dann Richtung Frankfurt gezogen sind, wurde ich an dem Bein noch einmal ambulant operiert, da sich der Bluterguss abgekapselt hatte und eine dicke, schmerzende Beule zurückgeblieben ist. Mittlerweile sind nur noch eine leichte Wölbung nach innen, eine kleine Narbe und auch noch ein leichter blauer Fleck übrig geblieben. Ich bin wirklich froh, dass ich dieses Thema abschließen und heute auch darüber lachen kann! Manchmal ärgere ich mich zwar, dass das natürlich nur so extrem ausgeartet ist, weil ich den leichten Blutverdünner nehme, aber es hätte auch viel schlimmer sein können. Es war nichts gebrochen und ich kam um eine Operation drum herum.

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