

Medizinische Informationen
Kinder mit angeborenen Herzfehlern, aber auch Ungeborene, sind einem doppelt hohen Risiko unerwünschter Nebenwirkungen und therapeutischer Schäden ausgesetzt, wie z.B. Über- und Unterdosierungen, weil es an kindgerechten Arzneimitteln mangelt. Der kindliche Organismus baut die Wirkstoffe völlig anders ab als der erwachsene, daher kann auch nicht aufgrund des Gewichts hochgerechnet werden, welche Dosierung angemessen ist. Aufgrund ethischer Bedenken, der Komplexität und der hohen Kosten werden kaum Studien mit Kindern durchgeführt. Das führt dazu, dass sehr viele, auch die herzwirksamen Medikamente für Kinder nicht zugelassen sind. Da es meist keine Alternativen gibt, werden sie dennoch “off-label” verabreicht, ohne Kenntnis über Neben- und Langzeitwirkungen bzw. Wechselwirkungen mit anderen Medikamenten.
Aus Furcht vor haftungsrechtlichen Konsequenzen lehnen manche pädagogische Kräfte die Arzneimittelgabe ab oder sehen diese kritisch.
Oft wissen schon junge Kinder mit angeborenem Herzfehler, dass sie spezielle Verhaltensmaßregeln beachten sollen. Transplantierte Kinder müssen bestimmte Nahrungsmittel meiden und ihre Medikamente sehr regelmäßig und zuverlässig einnehmen, um Abstoßungsreaktionen abzuwenden. Bei Klappenersatz u.ä. ist die Einnahme von blutgerinnungshemmenden Medikamenten (Antikoagulation) notwendig. In diesem Fall müssen Verletzungen weitgehend vermieden werden bzw. bei Blutungen sofort geeignete Maßnahmen ergriffen werden. Kinder, die blutverdünnende Medikamente einnehmen, sollten keinen verletzungsträchtigen Sport ausüben, z.B. Fußball, Rugby, Hockey, Eishockey, Alpin-Ski, Reiten.
Fast alle herzkranken Kinder kennen ihre eigenen Belastungsgrenzen ziemlich genau. Diese kann vom Kinderarzt von der medizinischen Seite und von den Eltern aus ihrer Erfahrung mit dem Kind zusammen gut beurteilt werden. Die INR-Selbstbestimmung (coaguchek) vermeidet ständige Arztbesuche, zur Überprüfung des Gerinnungswerts im Labor. Das verschafft den Familien mehr Freiheit und weniger Termine.
Ab dem 1. Oktober 2016 haben Patienten, die mindestens drei verordnete Medikamente gleichzeitig anwenden, einen Anspruch auf die Erstellung sowie Aktualisierung eines Medikationsplans.
„Rezeptfrei“, sogenannte OTC-Arzneimittel („Over The Counter“) heißt nicht immer harmlos! Weil ein Arzneimittel ohne Rezept erhältlich ist, wird seine Wirkung und die Risiken häufig unterschätzt, so die Stiftung Kindergesundheit. Acetylsalicylsäure (ASS, „Aspirin“) soll wegen der Gefahr einer zwar seltenen, aber gefährlichen Komplikation („Reye-Syndrom“) bei Kindern erst ab zwölf Jahren eingesetzt werden. Andere Schmerzmittel, z.B. Paracetamol können die Nierenfunktion beeinflussen. Bei Überdosierung bzw. zu häufiger Gabe kann der Wirkstoff schwere Leberschäden verursachen, aber auch Veränderungen des Blutbildes auslösen.
OTC-Präparate sind nicht verschreibungspflichtige, apothekenpflichtige Arzneimittel. Die Patienten müssen sie meist selbst bezahlen. Etwa 70 gesetzliche Krankenkassen haben OTC-Arzneimittel in ihren Leistungskatalog aufgenommen.
Für die Versicherten dieser bedeutet das, dass ihnen die Kasse die Kosten für diese Arzneimittel erstattet. Eine Bedingung hierbei ist, dass der Arzt sie Arzneimittel zuvor auf einem Grünen Rezept (oder Privatrezept) verordnet hat. Manche Krankenkassen erstatten hierbei nur Arzneimittel der besonderen Therapierichtungen, wie pflanzliche, homöopathische oder anthroposophische Arzneimittel. Andere Kassen erstatten wiederum alle OTC-Arzneimittel, allerdings nur in der Altersgruppe der 12- bis 18-Jährigen.
Bei Kindern bis 12 Jahre erstatten die Krankenkassen die Kosten für OTC-Arzneimittel ohnehin im Rahmen der Regelversorgung.
Quelle: Stiftung Kindergesundheit
Etwa eine Millionen Menschen in Deutschland, darunter auch zahlreiche Kinder mit angeborenen Herzfehlern, nehmen Medikamente zur Blutverdünnung ein, meist wegen Vorhofflimmerns.Dabei besteht die Gefahr, dass sich durch veränderte Strömungsbedingungen im Herzvorhof Blutgerinnsel bilden. Wenn sich solch ein Thrombus löst und ins Gehirn gelangt, verursacht er einen Schlaganfall.
Medikamente, die die Blutgerinnung hemmen, können das verhindern. Sie reduzieren das Risiko für einen Schlaganfall um 60 bis 70 Prozent. Neben dem bislang gebräuchlichen Marcumar sind nun auch neue Gerinnungshemmer auf dem Markt, die oralen Antikoagulantien (NOAK) Dabigatran, Rivaroxaban und Apixaban.
Vor genau 60 Jahren wurde das erste Contergan geschädigte Kind in Deutschland geboren – als Resultat einer unerwünschten Arzneimittelnebenwirkung. Während in vielen Ländern Europas und den USA die Erforschung von Arzneimittelnebenwirkungen hohe Priorität hat, sind der Arzneimittelrisikoforschung in Deutschland noch immer viele Steine in den Weg gelegt.
Die Nutzung von Gesundheitsdaten spielt dabei eine wichtige Rolle, dafür müssen sich die gesetzlichen Rahmenbedingungen ändern. Nur durch das Zusammenführen und Auswerten medizinischer Daten können Forscher Nebenwirkungen von Arzneimitteln aufspüren. Viele Arzneimittelrisiken lassen sich erst nach der Zulassung erkennen, das heißt bei großflächiger Anwendung in der Bevölkerung.
Der Paragraph 75 Sozialgesetzbuch Zehn (§ 75 SGB X) lässt die Übermittlung von Sozialdaten nur für ein bestimmtes Forschungsvorhaben zu. Nach Abschluss des Vorhabens müssen die Daten wieder gelöscht werden. Mit dieser engen Zweckbindung und zeitlichen Befristung ist es nicht möglich, Gesundheitsdatenbanken aufzubauen, um zum Beispiel die langfristige Sicherheit von Arzneimitteln zu untersuchen oder dringende Fragen zu noch unbekannten Arzneimittelrisiken und neuen Arzneimitteln zu klären. Das Leibniz-Institut für Präventionsforschung und Epidemiologie (BIPS) hat eine pharmakoepidemiologische Forschungsdatenbank (GePaRD) aufgebaut, die Gesundheitsdaten von mehr als 20 Millionen Versicherten aus vier gesetzlichen Krankenkassen enthält.
Sie bleibt der Forschung jedoch nur erhalten, wenn der Paragraph 75 zeitgemäß angepasst und eine längerfristige Forschungsperspektive ermöglicht wird. Das BIPS veranstaltete am 25.05.2016 in Berlin eine Podiumsdiskussion zu Arzneimittelsicherheit.
Quelleninfos:
Foto: istock/alvarez